Ein Leuchten

Liebe Leserinnen, liebe Gemeindemitglieder, liebe Gäste,
haben sie sich schon einmal verlaufen? Ich hoffe zumindest nicht in unserer Kirche. Manchmal lernt man ja eine Umgebung erst richtig kennen, wenn man sich in ihr verlaufen hat.

Nun will ich ihnen nicht empfehlen, sich in diesen Tagen zu verlaufen. Aber ich möchte ihnen ein kleines, etwas rätselhaftes, aber traumschönes Büchlein als Weglektüre empfehlen: „Ein Leuchten“ vom norwegischen Literaturnobelpreisträger Jan Fosse.

Ein Mann fährt los. Ihm ist langweilig. Er setzt sich in sein Auto und fährt. Ohne Ziel. Auf einem Waldweg ist Schluss. Festgefahren im Irgendwo. Wie kommt er da wieder raus? Ratlos steigt er aus und geht los. Es wird dunkel und beginnt zu schneien. Zappenduster und Ende?

Ihm begegnet ein Leuchten. Glaubt er jedenfalls. Aber sicher ist er sich nicht. Ob Wirklichkeit oder Fantasie, das Leuchten kommt näher. Es kommt ihm wie eine Gestalt vor. Es flüstert sogar. Die Stimme wirkt warm, warm, wie „Liebe“.

Eine Fantasie zu fragen, macht eigentlich keinen Sinn. Aber er fragt: Warum folgst du mir? Die Gestalt antwortet: Das kann ich nicht sagen. Der Mann fragt: Wer bist du? Die Gestalt antwortet ihm: Ich bin, der ich bin. Der Mann denkt: Das habe ich doch schon mal gehört!

Es passiert noch mehr in dem Buch. Aber das lesen sie besser selbst. Das Wesentliche ist: Der Mann hat eine Begegnung, die er mal als Leuchten, mal als Engel, mal als Liebe erlebt. Und er hört, was auch Mose am brennendenden Dornbusch hört: Gott sagt seinen Namen (2. Mose 3,14): Ich bin, der ich bin; oder: Ich werde sein, der ich sein werde.

Der Mann ist sich aber nicht sicher, was das zu bedeuten hat. Das ist das Besondere an „Ein Leuchten“. Das Büchlein beschreibt die rätselhafte Begegnung – und überlässt es uns, dies zu deuten.

Begegnungen soll es viele geben – ob im Urlaub oder zuhause oder in der Gemeinde. Ich wünsche Ihnen, dass sie in ihnen viel Leuchten sehen können. Und Stimmen hören, die sagen: Ich bin bei dir. Und darauf vertrauen können, dass es bei Gott keine Finsternis gibt.

Ihr Pfarrer Sebastian Wilhelm aus Gransee